„Ruhe und Ordnung in meinem Bezirk“ - Alle Räder stehen still – Arbeiter reichsweit geeint im Protest gegen einen Rückfall ins Kaiserreich
General von Watter wurde noch am 13. März durch die neue Kapp-Regierung als Befehlshaber im Wehrkreis VI bestätigt. Er erhob die Aufrechterhaltung von „Ruhe und Ordnung in meinem Bezirk“ zu seiner Maxime. Die Arbeiter und Angestellten im Ruhrgebiet dagegen reagierten auf die Putsch-Nachrichten aus Berlin mit einem Generalstreik. Am 15. März lag die Streikbeteiligung auf den Zechen des Reviers bei über 90 Prozent. Die Parteien waren zersplittert und zerstritten (siehe den Aufsatz von Joachim Kinder in der Rubrik …), auch in Bezug auf den Generalstreik. In vielen Städten des Ruhrgebiets entwickelten sich blutige Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern, Polizei, Reichswehr, Einwohnerwehren und Sicherheitswehren.
Die Waffen der Arbeiter stammten aus den Beständen der Polizei, der Feuerwachen und der Schützenvereine sowie schließlich aus einem gepanzerten Zug. Der Besitz von Panzern war den Deutschen jedoch laut Versailler Vertrag verboten.
Der Generalstreik wurde rasch zum kriegsmäßigen Waffengang der Reichswehr gegen zivile Arbeiter.
Kriegswaffen aus Zug der Reichswehr erbeutet
Duisburg, 17. März 1920. Arbeiter erbeuten Waffen aus einem gepanzertem Zug der Reichswehr:
50 MGs, vier Wagen Schnellfeuergeschütze mit Munition, Handgranaten, Infanteriemunition.
# Die gesellschaftliche und die politische Antwort auf den Rechtsputsch
In den ersten Tagen des Generalstreiks gab es ein einheitliches Auftreten der gesellschaftlichen Gruppen. Kurz danach zersplitterten die Forderungen in individuelle Wünsche der Gruppierungen. Im Ruhrgebiet ging dies fließend über zum Aufstand mit Waffeneinsatz und Grundsatzforderungen, die selbst die Verfassung berührten.
„Generalstreik für die Demokratie - Enttäuschung und Verbitterung weiter Kreise der politischen Linken über den begrenzten Erfolg der Revolution werden wohl noch übertroffen von Verachtung und Hass der „nationalen Rechten”, … Erster unübersehbarer Ausdruck dieses Kampfes gegen die Republik ist der Kapp-Putsch.
Als die „Brigade Ehrhardt” am 13. März 1920 in Berlin einmarschiert …. als die rechtmäßig gewählte Regierung – von der Reichswehr im Stich gelassen – aus Berlin flieht, da beweisen große Teile der Arbeiter- und auch der Beamtenschaft ihre Loyalität zur gefährdeten Regierung. ….“ .
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Die Lage auf Reichsebene vom 14. Bis zum 16. März 1920
„Kampf der beiden Regierungen“ titelt die HVZ am Montag, 15.März 1920. Kapp in Berlin.
Die verfassungsgemäße alte Reichsregierung hatte sich mangels Unterstützung durch die Reichswehr aus Berlin zurückgezogen, um nicht abgesetzt zu werden: nach Dresden und unmittelbar weiter nach Stuttgart. Der Reichskanzler wendete sich am 14. März an das Volk.
Dresden, 14. März 1920. Die Reichsregierung richtet sich aus Dresden an das deutsche Volk. Es stehe keine besonnene Denkungsart hinter diesen Vorgängen, vielmehr sei die Entlassung bestimmter Truppen ein „Akt der Tollheit“. Die Regierung habe Berlin verlassen, um ein Blutbad zu vermeiden.
Mülheim Ruhr/Magdeburg/Breslau, 14. März 1920. Die Militärverbände (Freikorps Schulz, Detachement Lichtschlag u.a.) im rheinisch/westfälischen Industriegebiet erklären, dass sie sich hinter die neue Regierung gestellt haben. Auf der Kaserne sind schwarz-weiß-rote Fahnen hochgezogen. Auch die Reichswehr spricht sich für die neue Regierung aus. In Breslau tritt der Kommandierende General zurück, weil seine Truppen sich auf die Seite der neuen Regierung stellten. Dresden, 15. März 1920. Die verfassungsmäßige Reichsregierung organisiert von Dresden aus die Niederwerfung der Bewegung (des Herrn Kapp).
Dresden, 16. März 1920. Die Verfassungsmäßige Reichsregierung organisiert die Niederwerfung der Bewegung, dazu ist sie an General Georg Ludwig Maercker herangetreten.
Die Auslandspresse
Paris/London/Rom/Bern/USA, 14. März 1920 Die Berliner Vorgänge zeigen schwerste Wirkung im Ausland, die Ergebnisse der Londoner Konferenz zum Wiederaufbau sind in Frage gestellt. Frankreich triumphiert und drängt zu militärischen Maßnahmen – allerdings nur, wenn die neue Regierung sich nicht an die Bestimmungen des Friedensvertrags hält. In England erwacht das Misstrauen und in Italien zeigt man sich überrascht. Militärische Maßnahmen der Alliierten sind zu befürchten. In Bern befürchtet man eine Verschlechterung der internationalen Lage des Reichs und spricht sich gegen die Regierung Kapp aus. Selbst in den USA lösen die Ereignisse große „Erregung“ aus.
Das Ruhrgebiet und Duisburg am 14. März 1920 – mehr Arbeiter in die Bürgerwehr
Duisburg, 14. März 1920. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Duisburg unter Oberbürgermeister Dr. Jarres sowie die Vertreter sämtlicher Gewerkschaftsrichtungen verurteilen den Putsch des Herrn Kapp und seiner Genossen und versagen ihm ihre Anerkennung. Die Deutschnationalen erklärten den Umsturz für gefährlich, die freien Gewerkschaften misstrauen der Bekanntmachung des Befehlshabers für den Wehrbezirk VI, General von Watter.
Ruhrgebiet, 15. März 1920. Die freien Gewerkschaften fordern, dass mehr Arbeiter in die Bürgerwehr aufgenommen und mit Waffen ausgestattet würden. Ein Oberbürgermeister aus dem Ruhrgebiet dagegen warnt vor den Folgen eines Generalstreiks und bittet darum, Vertrauensleute zu bestellen, mit denen er planen kann.
Berlin, 15. März 1920. Die christlichen Gewerkschaften fordern Belegschaftsversammlungen in allen Betrieben für den nächsten Tag, um über die Wiederaufnahme der Arbeit oder den weiteren Streik zu beschließen.
Essen, 15.März 1920: „Die Reichswehr im Westen hält die Treue.“ In Gesprächen zwischen Severing, von Watter und den freien Gewerkschaften sowie Abgeordneten der SPD wird deutlich gemacht, dass sie auf Seiten der verfassungsmäßigen Regierung stehen, „Die Verfassung ist zu schützen.“
HVZ, 15. März 1920. „Aufruf des Wehrkreis-Kommandanten. Ich wende mich entschieden gegen jeden Rechts- und Linksradikalismus ... untersage ich für meinen Bezirk auch die „Deutsche Zeitung“ … Der Regierungskommissar Severing arbeitet in dankenswerter Weise im Dienste und Geiste der von mir gegebenen Garantien weiter an der Überwindung der Krise … … Ich übernehme auch die volle Garantie für die Erhaltung der Volksrechte und republikanische Staatsform. … Vertrauen um Vertrauen. Auf zum gemeinsamen Wirken für Ordnung, Freiheit und Arbeit. gez. Freiherr von Watter, Generalleutnant“
HVZ, 15. März 1920: Soll weiter gestreikt werden? Eine Stellungnahme, wiederum ohne Verfasser. Die Zeitung hatte den Streik als Kampfmittel zur Erreichung politischer Ziel stets verurteilt. Nach seiner Auffassung war es eine Demonstration unter Anwendung des Mittels, das den Dauerstreikenden am nächsten lag, die Einstellung der Arbeit.