# Die wirtschaftliche Lage

Der junge deutsche Staat war hoch verschuldet, die Umstellung der Kriegs- auf Friedenswirtschaft und die Wiedereingliederung der Kriegsteilnehmer in den Arbeitsprozess war noch nicht abgeschlossen. Aus den abgetrennten Ostgebieten kamen Flüchtlinge und Ausgewiesene. Die Reparationen an die Siegermächte bedeuteten eine schwere Belastung. Da das Kaiserreich den Ersten Krieg sowohl mit Krediten als auch mit einer Vervierfachung der umlaufenden Bargeldmenge finanziert hatte, kam es zu einer erheblichen Nachkriegsinflation.

Der Nachkriegs-Alltag warf für die Menschen viele Probleme auf, die deutschlandweit zu lösen waren: überteuerter Wohnraum, hohe Arbeitslosigkeit, Inflation, Hungersnot bis hin zur schwierigen Milchversorgung für Kinder. Deutschland hatte mit 14 Prozent die höchste Säuglingssterblichkeit in Europa, Rachitis-Epidemien durch Vitaminmangel prägten den Alltag. Bettelei war oft die einzige Existenzsicherung für verkrüppelte Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg. Die Menschen befanden sich in einem ständigen Wettlauf von Löhnen gegen Preise. Die Arbeitslosigkeit dagegen beschäftigte die Politik. Die Erwerbslosenfürsorge wurde dahingehend geändert, dass der Staat erst zahlte, wenn er selbst keine Arbeit anbieten konnte. Nicht zuletzt standen die Forderungen der Besatzungsmächte gegenüber dem Rheinland kontrovers zwischen Deutschland und Frankreich.


Die Zeitungsausschnitte, die im Folgenden die Situation im Raum Duisburg-Dinslaken verdeutlichen stammen alle aus der Hamborner Volkszeitung. Teils werden sie zitiert, teils werden die Artikel abgebildet.

 

Mit dem Frieden kamen die Reparationsforderungen nach Kohle und Holz

hf a 01Ruhrgebiet, Anfang Januar. Die Not der Kriegszeit war 18 Monate nach Unterzeichnung des Versailler Vertrags im Ruhrgebiet nicht beendet. Lebensmittel waren rationiert. Die Bergarbeiter forderten zu Jahresbeginn 1920 6-Stundenschichten, da sie nicht genug Nahrung hatten, um die schwere körperliche Arbeit leisten zu können.
Die Reparationsforderungen der Alliierten nach Kohle und Holz hatten Vorrang, denn die Franzosen drohten mit Einmarsch in das Ruhrgebiet, wenn nicht pünktlich geliefert würde.
Die Reichsregierung in Berlin entsandte Carl Severing Anfang Januar 1920 als Reichskommissar ins Ruhrgebiet. Seine Aufgabe war es, im Ruhrgebiet die Förderung von Kohle und die Produktion von Stahl durch Arbeitsfrieden sicherzustellen. Das Ruhrgebiet als letztes Kohlezentrum war entscheidend wichtig für die nationale Versorgung, denn von den drei Zentren in Deutschland mussten Elsass-Lothringen und Schlesien abgetreten werden.

 

Der Eisenbahnerstreik in Deutschland erreicht Duisburg

Duisburg, 9. Januar 1920. Seit 6 Uhr streikten die Arbeiter auf den Bahnhöfen Duisburgs. Die Beamten verrichteten ihren Dienst, konnten jedoch nicht viel ohne die Arbeiter ausrichten.
Die Züge blieben in den Bahnhöfen, die Fahrgäste mussten ihre Reise anders fortsetzen. Die Ausführung von Notstandarbeiten wurde dagegen zwischen den Arbeitern und der Stationsleitung vereinbart. Auf Versammlungen wurde die Lage diskutiert. Die Rückkehr der Delegierten aus Berlin brachte neue Informationen. Ein Großteil der Forderungen war von Berlin bewilligt worden, doch die rechtzeitige Verteilung an alle blieb aus. Die neue Sachlage hätte die Situation in den weiteren Tagen geändert.

 

Revolten in Hamborn

hf a 02Hamborn, 13. Januar 1920: „In Hamborn herrscht der Mob. Aus einem teilweisen Bergarbeiterstreik (seit 1.01.1920) kam es zu Forderungen (…und in der Folge zu einem Versammlungsverbot). Dieses Verbot für Bergarbeiter führte am Montagnachmittag (12.01.1920) … zu Versammlungen auf dem Alten Markt. Die Forderungen und eine unmittelbare Zustimmung des OB zur unmittelbaren Aufhebung des Verbots erhielten keine Antwort. Dies führte zur Rathausstürmung ….

 

Ausnahmezustand

Düsseldorf, 14 Januar 1920: „…Ausnahmezustand ab 13. Januar 1920 in vier Regierungsbezirken“, darunter ist Düsseldorf.
Anmerkung: Die obigen Nachrichten aus der HVZ vermitteln die Sicht der örtlichen Redaktionen der Zentrums-Zeitung.

 

Kreis Dinslaken

hf a 03Dinslaken, 15. Januar 1920. Streik der Belegschaft auf der Zeche Lohberg - Nur ein Zweizeiler vor den aktuellen Nachrichten zur Lebensmittelversorgung.

 

Letzte Nachrichten. Stilllegung wichtiger Fabriken infolge Kohlemangels.

hf a 04Essen, 22. Januar 1920: Seit Weihnachten 1919 herrscht Brennstoffmangel, die im Januar zur gänzlichen Stilllegung einzelner Betriebe im rheinischwestfälischen Industriegebiet führte.

 

Lebensmittelversorgung der Stadt Hamborn am Rhein. Mehl für notleidende Deutschösterreicher

hf a 05Hamborn, 9. Januar 1920: In der Lebensmittelversorgung der Stadt Hamborn wird die Ration für Brot und Mehl auf 4,5 Pfund gekürzt. Die ersparte Mehlmenge eines halben Pfundes wird für notleidende Deutschösterreicher verwendet ... (siehe Tabelle).

 

Letzte Nachrichten. Die neue Kohlepreiserhöhung.

hf a 06Essen, 31. Januar 1920. Am 1. Februar trifft eine Kohlepreiserhöhung ein ... . Der Genehmigung gingen eingehende Beratungen im Reichskohlenverband und im Reichswirtschaftsministerium voraus.

 

Zum Abbau der Erwerbslosenfürsorge.

hf a 07Berlin, im Januar 1920. Zum 1. Februar erlässt der Reichsarbeitsminister eine Verordnung zur Erwerbslosenfürsorge. Zukünftig gilt: Nicht Erwerbslosenunterstützung ist das Ideal, sondern die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsbeschaffung. Erst wo dies "nicht am Platz ist“, folgt Unterstützung durch den Staat ...

 

Schutz der Vermieter

hf a 08HVZ vom 9. Februar 1920. Wohnungselend und Häuserspekulanten: Achtbare Familien werden durch ungeheure Mietforderungen zur Verzweiflung getrieben!

 

Kindersterblichkeit und Milchversorgung

hf a 09HVZ vom 9. Februar 1920. Ein emotionaler Bericht zu den Toten in der Heimat, die in keiner amtlichen Verlustliste aufgeführt werden, sowie zur Kindersterblichkeit als Kriegsfolge.

 

Kreis Dinslaken. Zur Milchversorgung

hf a 10Provinzielles, 20. Februar 1920. Eine niederländische Tageszeitung meldet, dass mit der niederländischen Molkereivereinigung eine Milchversorgung des rheinischwestfälischen Industriegebiets für zwei Jahre vereinbart werden soll.

 

Kreis Dinslaken. Herabsetzung der Brotmenge; Ausgabe von Kartoffeln.

hf a 11Kreis Dinslaken, 17. Februar 1920. Infolge „höherer Anordnung“ wird im Kreis Dinslaken die Brotmenge auf 4 Pfund wöchentlich gekürzt. Nach Stadtteilen geordnet werden Kartoffeln vom 16. Bis zum 22. Februar 1920 in der Viehmarkthalle an der Hünxer Straße an Versorgungsberechtigte ausgegeben.

 

Lebensmittelversorgung der Stadt Hamborn am Rhein.

hf a 12Hamborn, 20. Februar 1920. Übersicht über die rationierten Mengen für Brot und Mehl, Zucker, Margarine und Marmelade. Marmelade kostete 2,10 Mark pro Pfund.

 

Höchstpreise für Kohlen und Koks.

hf a 13Hamborn, 20. Februar 1920. Rückwirkend zum 1. Februar werden die Kohlen- und Kokspreise neu festgelegt. Frei Haus kosten Steinkohlenbriketts nun 18,35 Mark.

 

Kreis Dinslaken. Die Spartakisten auf der Schweinejagd

hf a 14Kreis Dinslaken, 5. Februar 1920. Vier namentlich genannte Bergleute aus Lohberg und Hiesfeld waren in „das Sparktakistengetriebe hineingeraten“. Einmal ein Gewehr in der Hand, kamen sie auf den Gedanken, irgendwo ein „Borstenvieh“ zu stehlen. Weil sie dabei auch auf den Landwirt schossen, wurden sie von der Strafkammer Duisburg zu Gefängnisstrafe verurteilt.

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