# Wohin geht der Weg - sozialistisch, demokratisch oder wieder monarchistisch?
Nach Kriegsende war es das Ziel, eine demokratische Republik mit einem Parlament zu gestalten, in den Köpfen der Menschen war Demokratie jedoch ein Fremdwort. Außerdem wurde den Deutschen die Demokratie von den Siegern diktiert. Doch wie sollte sie aussehen? Welches Land konnte als Beispiel gelten für die Nachfolge im deutschen Kaiserreich? Der Reichstag als Sitz des Parlaments wurde bereits im Kaiserreich verächtlich als „Quasselbude“ diskriminiert. Letztendlich galt des Kaisers Wort. Im neuen parlamentarischen Alltag mussten die Entscheidungen demokratisch im Mehrheitsbeschluss und oft genug als Kompromiss gefasst werden. Mit zwei Proklamation binnen zwei Stunden (Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht) kam es am 9. November 1918 zum Konflikt, der über Jahrzehnte nachwirkte, da eine politisch tragfähige Mehrheit nicht zu bilden war. Die Polarität hieß sozialistisch oder national-traditionell. Dies war im Kern das Dilemma, das die Weimarer Republik für 14 Jahre durchlaufen musste, bis sie durch Unterwanderung und Notstandsgesetzgebung aufgelöst wurde. Aus dieser „Quasselbude“ wurde erst nach 1949 ein funktionierendes Parlament.
# Das neue Wahlrecht
Frau und Mann - bei Wahlen sind jetzt alle gleichberechtigt und wahlberechtigt
Mit der Abwahl des 3 Klassen-Wahlrechts im November 1918 und der Gleichberechtigung von Mann und Frau vor dem (Wahl-) Gesetz kam es zu deutlichen Änderungen: Die Wahlbeteiligung an den Reichstagswahlen im Frühjahr 1919 brachte 9% Frauen in den Reichstag.
Siehe auch Handlungsfeld F-Heimat: Frauen im Stadtparlament von Dinslaken seit 1919
# Das Streikrecht
Die Diskrepanz von Recht und Realität zeigt ein Rundschreiben des Zechenverbandes vom 29.1.1920:

Quelle: Abelshauser, Werner; Himmelsbach , Ralf (1988): Revolution in Rheinland und Westfalen. Quellen zu Wirtschaft, Gesellschaft und Politik 1918-1923. Seite 94
Mit der Ablösung des Kaiserreichs im November 1918 wurde der Streik akzeptiert, unterzeichnet von der "Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands" und im Reichsanzeiger veröffentlicht. Die Gewerkschaften wurden Ende 1918 als "berufene Vertreter der Arbeiterschaft" anerkannt und das uneingeschränkte Koalitionsrecht, Arbeiterausschüsse, Schlichtungswesen und Kollektivverträge zur Regelung der Arbeitsbeziehungen garantiert. Ebenso wurde der Achtstundentag akzeptiert.
Der Streik war in der Weimarer Republik das wichtigste Kampfinstrument der Arbeiterschaft im Ringen um erträgliche Lebens- und Arbeitsbedingungen, seit etwa 1918 zudem Ausdruck politischer Ziele. Auch hinter „klassischen" Streikforderungen konnte sich die Verteidigung der sozialen Errungenschaften und damit ein "politischer" Grund verbergen. Die Grenzen waren fließend.
Quelle: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Streiks_(Erster_Weltkrieg_und_Weimarer_Republik)
# Revision des Versailler Vertrags ausgelöst durch eine Französische „Kohlennote“?
Der Vertrag mit den Siegermächten sah vor, dass Deutschland bei unzureichender Belieferung von Kohle rechtsrheinisch teilweise besetzt werden durfte. Damit war ein Konflikt vorprogrammiert, denn Kohle war ein schwer erarbeitetes Gut und die deutsche Bevölkerung brauchte selbst die abgebaute Kohle. Im Februar 1920 bestrafte die französische Regierung mit der sogenannten „Kohlennote“ den „absichtlich“ mangelhaften Vollzug der Reparationskohlenlieferungen mit einer ersten Sanktion. Sie setzte die Fristen für die Räumung der besetzten Gebiete aus und drohten weitere Zwangs- und Vergeltungsmaßnahmen an. Die Reichskanzlei nahm dies zum Anlass, die bisher unterdrückte Diskussion über eine Revision des Versailler Vertrags anzudeuten. Damit verbunden waren zu Jahresbeginn 1920, wenige Wochen nach dem Friedensschluss, zahlreiche Fragen: Wandelte sich vielleicht die Ansicht einzelner alliierter Mächte zur Reparationsfrage? Wie war das Verhältnis der europäischen Mächte zu Russland einzuschätzen? Und schließlich: Wollte Frankreich auch noch Deutschlands letztes Kohlerevier? Denn Elsass-Lothringen und Schlesien waren bereits zwangsweise abgetreten.
Die deutsche Militärverwaltung reagierte auf die Kohlepreiserhöhung zum 1. Februar mit einer Anweisung an den Bergbau zur Erbringung von Überstunden. Dies erfolgte gemäß Verfügung des Reichsarbeitsministers und den Tarifbestimmungen vom 2. Februar 1920.
Den Überlegungen, den Mitgliedern der Entente Vorschläge zur Festlegung einer endgültigen Reparationssumme zu unterbreiten, sollte das Kabinett durch die politischen Unruhen des Kapp-Lüttwitz-Putsches unfreiwillig enthoben werden.
Für weitere Informationen siehe: https://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/11a/bau/bau1p/kap1_1/para2_7.html
Frankreich fordert mehr Kohlen
HVZ Berlin, 11. Februar 1920. Frankreich bemängelt die Höhe der Kohle-Reparationen.
Volkswirtschaftliches. Überstunden im Bergbau.
HVZ Münster, 1. Februar 1920. Das Wehrkreiskommando Münster, die militärische Führung also, weist im Ruhrgebietsbergbau ab 6. Februar 1920 Überstunden an.
Zur Revolution der Preise
HVZ, 1. Februar 1920. Kohle und Eisen als Grundlagen der deutschen Wirtschaft erkannt.
# Die Hamborner Volkszeitung im Februar 1920 über die Zukunft Deutschlands unter französischer Besatzung
HVZ Berlin, 11. Februar 1920. Bereits vor Bekanntwerden der „Auslieferungsaffäre“, gemeint ist die Kohlenreparation, befassten sich die Berichterstatter, hier S.W. – sein voller Name wird nicht genannt, wie das Verhalten Frankreichs beurteilt werden könne. Die französische Presse wird als scharf und rücksichtslos, als roh und gefühlslos bezeichnet.
Frankreich und die Zukunft Deutschlands
Die Auslieferungsfrage. Die Unstimmigkeiten zwischen den Entente Mächten.
Die Kohlennote. Eine Klarstellung
Berlin, 12. Februar 1920. Reichsregierung antwortet den Alliierten in der Frage der Kohlereparation
Die Zeitungen berichten wiederholt, dass Frankreich die ungenügende Kohlelieferung aus Deutschland bemängelt. Deutschland dagegen bezeichnet die Wiedergabe der deutschen Zusage gemäß Vertrag von August 1919 als unrichtig: Es wurden keine Mengen vereinbart!
Frankreichs Rheinlandgelüste
Berlin, 14. Februar 1920: Im Verlauf der Ereignisse steigert sich die Abneigung gegen Frankreich. Man spricht von „Rachepolitikern an der Seine“ und entwirft ein Szenarium, das sich von der Besatzung zu einer Annexion des Rheinlandes auswächst.

# Die Reichsregierung und das Ruhrgebiet
Der Reichskanzler und die Reichsminister zu wirtschaftlichen Lage
Essen, 18. Februar 1920. Der Reichskanzler und insbesondere der Reichskommissar Severing versuchen die Presse darauf einzuschwören, „ihrerseits alles zu tun, um aus den Nöten des Wirtschaftslebens herauszukommen“. Details aus dem Artikel:
„Die Bergarbeiter müssen einsehen, dass mehr Schichten verfahren werden müssen,“ so die Reichsregierung. Denn „die Kohle ist das Beste, zur Zeit einzige Zahlungsmittel im internationalen Verkehr, … deshalb bleibt nichts anderes übrig, als Mehrleistungen mit den jetzigen Belegschaften zu bestreben. Die Entwertung unseres Geldes im Auslande, zwingt uns zum Austausch von Ware gegen Ware.“
Lebensmittel aus dem Ausland sind zurzeit nur gegen Kohle zu beschaffen, die „Bergarbeiter sollen aber diese Lebensmittel zu Inlandspreisen haben.“
Der Reichskanzler betont sowohl die „überragende Bedeutung des Ruhrkohlenbezirks für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Vaterlandes“, als auch die wirtschaftliche Einheit des Ruhrkohlenbezirks, wie ihn der Siedlungsverband verwirklichen soll. Die allergrößte Sorgfalt soll auf die Ernährung der Bevölkerung des Ruhrkohlebezirks und besonders der Bergarbeiter verwendet werden.
Volkswirtschaftliches. Industrie. Die Versorgung des Bergbaus mit Grubenholz.
Berlin, 13. Februar 1920. Der Alltag stellt sich anders dar, als die Reichsregierung versprach. Das Ministerium für Landwirtschaft verfügt, dass Grubenholz dem Bergbau nur dann bereitgestellt wird, wenn es mit anderen auf Holzbezug angewiesenen Gewerben vereinbar ist.
Volkswirtschaftliches. Zur Versorgungslage im Ruhrrevier.
Essen, 17. Februar 1920: Streiks machen die Bereitstellung von Wagons und Lokomotiven sowie den
Abtransport von Brennstoffen unregelmäßig – die Haldenbestände schwinden.
Handlungsfeld A Die Not der Nachkriegszeit
Mehl für notleidende Deutschösterreicher
Hamborn, 9. Januar 1920. In der Lebensmittelversorgung der Stadt Hamborn wird die Ration für Brot und Mehl auf 4,5 Pfund gekürzt. Die ersparte Mehlmenge eines halben Pfundes wird für notleidende Deutschösterreicher verwendet... (siehe Tabelle).
# Versäumnisse bei der Demokratisierung
Die Arbeitskämpfe wurden zunehmend politisiert und von Parteiinteressen gelenkt. Vor dem Hintergrund von Demonstrationen und Streiks wurde in Berlin im Reichstag diskutiert. Beschlüsse mussten dabei überparteilich durch Mehrheiten gefunden werde, wurden aufgehoben und mussten neu verhandelt werden. Am Ende war es ein Kennzeichen der Weimarer Republik, dass Regierungen nicht lange hielten.
Man verlor sich im Tagesgeschehen und versäumte, Strukturveränderungen anzugehen, wie sie nach der Revolution Ende 1918 angedacht und beschlossen waren. Zu den Kernpunkten gehörten strukturelle Änderungen auf dem der Weg zur Volkswehr und Abbau des kaiserlichen Heers, personelle Veränderungen in Behörde und Militär. Doch das Vorhaben, dass leitende Beamte auf der Grundlage der Demokratie stehen sollten, wurde nicht mehr thematisiert.
Dies rächte sich nach 1920. Die Justiz ahndete in nur geringem Maße falsche Standgerichtsurteile des Militärs oder politische Morde aus der Frühzeit der Weimarer Republik. Das widersprach dem Rechtsempfinden der Bevölkerung.
# Die Sozialistischen Parteien und die Angst vor dem Bolschewismus
Die Reichstagsparteien von 1919 im linken Flügel wurden in linksradikale (KPD) und sozialistische Parteien (SPD/MSPD) und USPD unterschieden. Mit Gründung der Weimarer Republik wurde ein Teil der politischen Ideen umgesetzt. Es kam immer wieder zu neuen Zusammenschlüssen, wie z.B. zur Gründung der KPD Ende 1919.
Der Begriff Bolschewismus entstand als Eigenbezeichnung für die radikale Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR), den Bolschewiki. In Folge der Russischen Revolutionen von 1905 und 1922 wurde das Bild des „Bolschewismus“ vornehmlich von erklärten „Antibolschewisten“ geprägt und als Kampfbegriff gegen sämtliche Kommunistischen Parteien in Europa verwendet. Den Kern der Ideologie bildeten Programme zur Errichtung einer „Diktatur des Proletariats“, verbunden mit einer klassenlosen Gesellschaf. Der Bolschewismus in Deutschland wurde in der Weimarer Republik von erklärten antikommunistischen Gegnern bekämpft, sie unterstützten Freikorps und die Rätebewegung der organisierten Arbeiter. Die Angst des deutschen Bürgertums vor dem Bolschewismus war diffus und wurde durch die "Märzrevolution" als große bewaffnete Arbeiteraktion genährt.
Siehe dazu auch den Aufsatz von Joachim Kinder unter dem Button Archive/Aufsätze/Quellen
# Gewerkschaften - „Heillos zerstritten“
„ … Mit der Gründung der Weimarer Republik ändert sich Deutschland schlagartig: Die den Freien Gewerkschaften nahestehenden Parteien übernehmen die Regierungsverantwortung, die Gewerkschaften haben plötzlich direkten Zugang zur Macht. Und sie können endlich einige ihrer Forderungen durchsetzen. ….
Doch das ist nur die eine Wahrheit. Die andere ist: Die Gewerkschafter sind in vielen grundsätzlichen Fragen heillos zerstritten. Die einen unterstützen den Weg in die parlamentarische Demokratie, die anderen wollen die Macht den Revolutionären, den Arbeiter- und Soldatenräten überlassen. Die einen glauben, dass es möglich sei, unter Beibehaltung der Besitzverhältnisse eine Gleichberechtigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern zu erreichen, die anderen fordern die Sozialisierung des Privateigentums.
Die beiden Strömungen finden keinen Kompromiss. … Die Gewerkschaftsbewegung und die ihnen nahestehenden Parteien sind gespalten, die neu gegründete Kommunistische Partei unterstützt oppositionelle Gruppen innerhalb der Freien Gewerkschaften, um ihre politischen Macht auszubauen. ….
Aber die Mehrheit der Mitglieder spricht sich für die parlamentarische Demokratie unter Beibehaltung des Privateigentums aus. Sie ist überzeugt, dass es möglich ist, eine kapitalistische Wirtschaftsordnung zu schaffen, die sich am Gesamtwohl der Bevölkerung orientiert. …“
https://www.gewerkschaftsgeschichte.de/weimarer-republik-konflikte-in-der-arbeiterbewegung.html oder https://www.weimarer-republik.net/32-0-Gewerkschaften.html?lb=no
Die FAUD im Ruhrgebiet, ihre Bedeutung und ihr Anteil an der Roten Ruhrarmee
Die Freie Arbeiter-Union Deutschland (FAUD) entstand am 15. September 1919 durch Umbenennung aus der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVDG). Sie war bis zu ihrer Auflösung 1933 die wichtigste Organisation des deutschen Anarchosyndikalismus und spielte vor allem im Ruhrgebiet bei der Niederschlagung des rechtsextremen Kapp-Putsches während des Ruhrkampfes eine wichtige Rolle.
„… Hochburgen der Gewerkschaft waren das Ruhrgebiet und insbesondere das damalige Amt Mengede – ein Stadtbezirk der heutigen Stadt Dortmund. Aus der „Freien Arbeiter Union - Mengede“, einer Ortsgruppe der FAUD mit über 1.000 Mitgliedern, vornehmlich Bergleuten, rekrutierte sich eines der ersten Bataillone der Roten Ruhrarmee. …“ Mit dieser Aussage bleibt unklar, welche Rolle der FAUD bei der Spontangründung der Roten Ruhr Armee mit 50-60.000 Soldaten/ Menschen tatsächlich spielte. Frühere Schätzungen von sehr viel höheren Zahlen (über 100.000) können darauf beruhen, dass die Zählweise nur Soldaten oder schlimmstenfalls in der Zählweise alle Verdächtigen statistisch einbezogen hatten.
https://www.gewerkschaftsgeschichte.de/weimarer-republik-konflikte-in-der-arbeiterbewegung.html oder https://www.weimarer-republik.net/32-0-Gewerkschaften.html?lb=no
Sozialdemokratie und Unternehmertum
Februar 1920. Der Reichstagsabgeordnete und Kölner Mehrheitssozialisten-Führer Wilhelm Sollmann erwartet die tatkräftige Mithilfe der Unternehmer und Angestellten in Gewerbe, Industrie, Handel und Landwirtschaft, um die „Wirtschaftsmaschinerie wieder in regelrechten Gang zu bringen“. Er ist überzeugt, dass die Arbeiterklasse noch nicht die „wirtschaftliche und geistige Schulung besitze, um die Produktion in ihre Hände zu nehmen“.
Ausland. Rußland. Liquidation des Bolschewismus
London, 20. Februar 1920. Liquidation des Bolschewismus. Nach Bericht einer Londoner Zeitung erklärt „der bekannte Bolschewist Krassin“, dass „der Fall des Bolschewismus unvermeidlich sei.“ Der russische Revolutionär und Kampfgefährte von Stalin und Lenin, Leonid Borissowitsch Krassin, war seit November 1918 Volkskommissar für Handel und Industrie, damit war seine Leitung der sowjetischen Handelsvertretung in London (1921–23) verbunden.
# “Ich werde nicht dulden, dass mir eine solche Kerntruppe in einer so gewitterschwülen Zeit zerschlagen wird. …“
Der Versailler Friedensvertrag sah vor, dass das deutsche Heer auf 100.000 Mann sowie die Marine auf 15.000 Mann beschränkte werden musste, damit standen rund 300.000 Reichswehrangehörige und Freikorpsleute vor der Entlassung. Die Führer der Freikorps akzeptierten nicht den massiven Personalabbau in der etwa 400.000 Mann starken Reichswehr von 1919. Die meisten klammerten sich an das Militär, das ihnen Halt gab.
Mit diesem Satz kündigte General Walter von Lüttwitz der Regierung öffentlich den Gehorsam auf. Republikfeindlichkeit und Frustration früherer Soldaten, die sich in Freikorps organisierten, hatten schon lange im Militär gegoren. Die rechten Kräfte, Militär, Marine, Deutschnationale Volkspartei (DNVP) verlangten stärker an der Regierung beteiligt werden.
Noske, Gustav, Von Kiel bis Kapp - Zur Geschichte deutschen Revolution. Berlin, 1920. Seite 203-206
# Der Kapp-Lüttwitz Putsch
Mit dem Kapp-Lüttwitz Putsch musste die Weimarer Republik ihre erste große Existenzkrise überstehen. Ausgelöst durch einen Rechtsputsch, zog er einen Linksputsch nach sich. Am 29. Februar 1920 verfügte Reichswehrminister Gustav Noske, dass die Marinebrigade Ehrhardt aufzulösen sei. Die Generäle waren jedoch nicht gewillt, auf die Instrumente ihrer politischen Macht zu verzichten. Am 10. März sprach Lüttwitz beim Reichspräsidenten Ebert vor und forderte die Rücknahme des Auflösungsbefehls verbunden mit politischen Forderungen. Der Reichspräsident reagierte mit einer Absage an die Einmischung eines Generals in die Regierungsarbeit. Noske entließ am folgenden Tag General Lüttwitz. Am 12. März marschierte dieser spätabends nach Berlin, um die Regierung zu stürzen. Es kam zum Putsch am 13. März 1920, der als Kapp-Putsch in die Geschichte einging. Geführt wurde er von Wolfgang Kapp, Erich Ludendorff sowie von General Walther von Lüttwitz, dessen Truppen (zwei Marinebrigaden) unmittelbar zur Entlassung anstanden.
Damit war klar, dass die Reichsregierung nicht in Berlin bleiben konnte, da die Truppen sie festsetzen würden. Die Reichsregierung verließ Berlin und ging über Dresden nach Stuttgart.
Noske, Gustav, Von Kiel bis Kapp - Zur Geschichte deutschen Revolution. Berlin, 1920. Seite 203-206
Der Kapp-Lüttwitz-Putsch, sein Verlauf und die Antwort des Militärs wie er von der Bundeszentrale für politische Bildung dargestellt wird:
„… Noske beriet sofort mit der Reichswehrführung über Gegenmaßnahmen. Doch nur der Chef der Heeresleitung, General Walther Reinhardt, forderte einen Truppeneinsatz gegen die Putschisten.
Die übrigen Generäle, die der Republik fernstanden, rieten davon ab – im Raum Berlin stünden nicht genügend Soldaten zur Verfügung, und "Reichswehrtruppen [würden] niemals auf andere Reichswehrtruppen schießen", wie General Hans von Seeckt äußerte. Der Regierung blieb nur die Flucht nach Stuttgart. Das Militär zeigt sich illoyal zum neuen Staat.
Inzwischen besetzte die Brigade Ehrhardt, unterstützt von einem Reichswehrbataillon, das Berliner Regierungsviertel. Kapp rief sich selbst zum Reichskanzler aus und ernannte von Lüttwitz zum Oberbefehlshaber der Reichswehr.
Gerettet wurde die Republik durch einen Generalstreikaufruf aus der Reichskanzlei, der von den Gewerkschaften und der SPD sofort befolgt wurde. Die KPD, der die Weimarer Republik als "Noske-Demokratie" verhasst war, schloss sich nur zögerlich an. Vielerorts kam es zu bewaffneten Kämpfen mit Kapp-Lüttwitz-Anhängern. …“
Mehr unter: https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/weimarer-republik/275837/1919-1923-kampf-um-die-republik vom 10.03.2020 (Autor: Reinhard Sturm, 23.12.2011)
13. März 1920: „Letzte Meldungen“ vom Freitagabend in Berlin
Ein Umsturz von rechts? Der Ernst der Lage – Truppen im Anmarsch auf Berlin.
HVZ, Samstag, 13. März 1920
HVZ, Samstag, 13. März 1920
Soll wieder Blut fließen?
HVZ, Samstag, 13. März 1920
14. März 1920 – Der Putsch in der Sonntagsausgabe der Hamborner Volkszeitung
Der gewaltsame Regierungswechsel
HVZ, 14. März 1920. Der gewaltsame Regierungswechsel … Die alte Regierung tagt in Dresden … keine Reaktion, keine Monarchie … Das neue Kabinett … Verhaftungsbefehle und Schutzhaft …
Die Nachrichten im Detail:
„Die halbamtlichen Mitteilungen … ließen den Anschein erstehen, als ob es der Regierung Ebert gelungen sei, die Bewegung im Keime zu erfassen und einzudämmen. – Dem war jedoch nicht so. In den ersten Morgenstunden nahm die anscheinend unterdrückte Fronde von der Macht in der Reichshauptstadt Besitz. Wir wollen versuchen, den Wust des vorliegenden Nachrichtenmaterials so zu ordnen, daß ein die Zeitfolge der Vorgänge innehaltendes Bild entsteht.“
Berlin, 13. März 1920. Außer Reichskanzler Dr. Kapp, soll Bankdirektor Bang aus Leipzig als Reichsfinanzminister ernannt werden. Der frühere Polizeipräsident Traugott von Jagow soll Minister des Inneren, General von Lüttwitz Reichswehrminister und Reichsminister des Äußeren soll General von Winterfeldt werden.
Berlin, 13. März 1920. In einer Pressekonferenz erläutert Rechtsanwalt Brebereck, dass die neue Regierung nicht reaktionär sei, sondern eine Regierung der verfassungsmäßigen und freiheitlichen Zeit.
Leipzig, 13. März 1920. Telegramm von Ebert und seiner Reichsregierung an die Länderregierungen: die verfassungsmäßige Regierung tagt in Dresden.
Dresden, 13. März 1920. Präsident Fehrenbach beruft die Nationalversammlung nach Stuttgart ein.
Die Regierungstruppen zurückgezogen
Forderungen der Marinebrigade Erhardt an die Regierung Ebert: “ Ersatz der Nichtfachminister durch Fachminister, Wiedereinsetzung des Generals Lüttwitz in seine Kommandotätigkeit, Amnestie für alle in der Angelegenheit verhafteten Personen, wie Hauptmann Waldemar Pabst u.a. Von dem Rücktritt Eberts als Präsident war keine Rede.“
Die preußische Regierung verhaftet
Berlin, 13. März 1920. Die neuen Machthaber verhaften bei einer Sitzung am Samstag das preußische Kabinett.
Verhaftungsbefehle und Schutzhaft
Berlin, 13. März 1920. Reichsjustizminister Schiffer wird in Schutzhaft genommen, Reichsfinanzminister Erzberger soll verhaftet werden.
# Ein HVZ-Kommentar zur Kapp-Regierung vom 14. März 1920: Was ist das für ein Regiment?
Was ist das für ein Regiment? Damit ist nicht das Militär gemeint, sondern die neue Regierung. Der ungenannte Journalist zieht aus den Forderungen der neuen Regierung den Schluss, dass diese „Leute an geistigem Neid leiden“. Was sich in Berlin abspielt ist nicht „ein welterschütterndes Ereignis“, sondern die „Äußerung einer Kinderkrankheit der Revolution“. In Deutschland werden wir – so der Autor – noch eine Reihe, vielleicht gefährlicherer Krankheitserscheinungen zu überwinden haben.
# Das Ende der Kapp-Regierung
HVZ, 18. März 1920. Titelseite zum Kapp-Putsch
Das 4 Tage-Intermezzo - Das Ende und die Folgen für die Weimarer Republik
Die Abbildung stammt aus F.W. von Oertzen, Die deutschen Freikorps 1918-1923. München 1939
Allerdings war der Streik nicht mit dem Scheitern des Kapp-Lüttwitz-Putsches beendet: Die Gewerkschaften formulierten weitreichende Forderungen, die ihnen ein stärkeres politisches Mitspracherecht erlauben sollten. Erst durch einen Kompromiss mit der Reichsregierung, der u.a. die Entlassung des Reichswehrministers Noske beinhaltete, wurde der Streik am 22. März 1920 für beendet erklärt.
Eine Bewertung der Ereignisse durch Reinhard Sturm (bpb), 2011*
„ … Zum Glück für die Republik war der Putsch schlecht vorbereitet. Wirklichen Rückhalt besaß er nur bei den Großagrariern, Offizieren und Landräten östlich der Elbe. Am 17. März 1920 brach die Aktion landesweit zusammen. Lüttwitz floh nach Ungarn, Kapp nach Schweden, Ehrhardt tauchte in Bayern unter.
Tags darauf forderten die Arbeitnehmervertretungen – der "Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund" (ADGB), die ihm angeschlossene "Arbeitsgemeinschaft für Angestellte" (AfA-Bund) und der vor allem die untere Beamtenschaft vertretende "Deutsche Beamtenbund" (DBB) – die Bildung einer MSPD-USPD-Regierung unter einem Reichskanzler Carl Legien. Diese sollte endlich durch strukturelle Reformen die Demokratie wirkungsvoll schützen, u. a. durch Entlassung illoyaler Staatsdiener und durch Sozialisierungen.
Doch im Reichstag war nur eine neue Weimarer Koalitionsregierung unter Hermann Müller (MSPD) durchsetzbar. Weil Noske, dessen Politik der Härte gegenüber dem Links- und Rechtsradikalismus an den Generälen gescheitert war, von Otto Geßler (DDP) abgelöst wurde, trat der republiktreue General Reinhardt zurück.
Neuer Chef der Heeresleitung wurde ausgerechnet der zwar fähige, aber politisch unzuverlässige General von Seeckt. Unter seiner Amtsführung entwickelte sich die Reichswehr in den folgenden Jahren erst recht zu einer Art "Staat im Staate".
*Quelle: https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/weimarer-republik/275837/1919-1923-kampf-%20um-die-republik, 6.3.2020. Hinweis: In diesem Zusammenhang ist es interessant die politische Haltung führender Generäle zu kennen, dazu siehe Handlungsfeld E
Sonntag 20. März 1920 auf Reichsebene: „Vor dem Chaos“
Die HVZ titelt „Vor dem Chaos“ und bezieht sich …. auf die Europa-Ebene des politischen Geschehens. Die Rubrik „Aus Westdeutschland“ nennt - zurückgestellt hinter der Titelgeschichte - die Nachrichten zu den Aufständen (und Erfolgen) der Arbeiter.
Im Westen
Essen, 20. März. Die Stadt wurde dem revolutionären Proletariat übergeben …. Waffen sind abzugeben … Ausgehverbot ab 10 Uhr abends. Dies war der Wendepunkt für das Ruhrgebiet und den Befehl zum Rückzug der Reichswehr aus dem Ruhrgebiet.
Aber lediglich die Terminplanung der Generalstabspläne aus Münster musste im Zuge der kommenden Verhandlungen in Bielefeld und Münster vom 22. März auf den 2. April 1920 verschoben werden (Quelle: Eliasberg/1974, Seite 232).
Hagen, 20. März 1920. Pressezensur restlos aufgehoben.
Essen, 20. März 1920. Der hiesige Vollzugsrat hat die vollziehende Gewalt übernommen. Plünderungen sind nicht vorgekommen.
Verhandlungen auf Reichsebene für das Industriegebiet
Im Industriegebiet
Hagen. ....
Verhandlungen in Berlin
# Der Aufstand der Roten Ruhr Armee und das Ende der Revolution im Ruhrgebiet
Noch während des Kapp-Lüttwitz-Putsches übernahmen in den größeren Orten des Ruhrgebietes spontan entstandene lokale "Vollzugsräte" der USPD und der KPD die politische Macht. Als der Streik am 22. März 1920 für beendet erklärt wurde, wurde nicht überall die Arbeit wiederaufgenommen. Vor allem im Ruhrgebiet war die Stimmung derart aufgeheizt, dass weitergestreikt wurde. Sie organisierten bewaffnete Arbeiterwehren, diese sogenannte Rote Ruhrarmee bildete bald eine Gruppe von bis zu 50.000 bewaffneten Arbeitern. In erbitterten Kämpfen gelang es ihnen, die einmarschierenden aufständischen Freikorps zum Rückzug zu zwingen. Die organisierten Arbeiter versuchten die Macht zu übernehmen und mit Vollzugsräten und Aktionsausschüssen eine Räteherrschaft durchzusetzen.
Unterstützung erhielt sie durch den Streik von mehr als 300.000 Bergarbeitern (rund 75 Prozent der Belegschaften). Der linksradikale Widerstand gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch verwandelte sich in einen Kampf für die Wiederbelebung und Vollendung der sozialen Revolution und des Rätesystems. Diese "Märzrevolution" war die größte bewaffnete Arbeiteraktion, die es in Deutschland je gab. Sie nährte, wie schon die Münchner Räterepublik, die Angst des Bürgertums vor dem Bolschewismus, zumal es, weil eine einheitliche, anerkannte Führung fehlte, örtlich immer wieder zu Ausschreitungen gegen tatsächliche oder vermeintliche Kapp-Lüttwitz-Anhänger kam.
Die Reichsregierung verhandelte in Bielefeld (und dann in Münster) mit einzelnen, ausgewählten Verhandlungspartnern. Sie sagten politischer Reformen und eine Amnestie nach der Selbstauflösung der Roten Ruhrarmee zu. Da jedoch die Vertreter der Arbeiter und der verschiedenen Gruppen die erzielten Ergebnisse anschließend in ihren verschiedenen Organisationen besprechen mussten, war die Zeit des Ultimatums schlicht zu kurz. Die Arbeiterseite hatte keine Chance innerhalb der Ultimaten einig zu werden, und schon gar nicht alles zu erfüllen. Diese Verhandlungsmoderation von Severing führte zu weiteren Vertrauensverlusten.
Schließlich erhielten Reichswehrtruppen und Freikorps (darunter auch ehemalige Kapp-Lüttwitz-Putschisten) freie Hand, die Rote Ruhrarmee mit allen Mitteln (auch mit standrechtlichen Erschießungen) zu bekämpfen. Diesmal ließ sich die Reichswehr bereitwillig einsetzen, ging es doch gegen "Bolschewisten", nicht gegen "Kameraden". So ist bekannt, dass der Militärbefehlshaber des Ruhrgebiets General von Watter plante - teils parallel mit den Verhandlungen in Bielefeld - einen militärischen Eingriff im Ruhrgebiet plante. Mitte März 1920 erbat er über seine vorgesetzte Dienststelle in Kassel bei den Entente Mächten, die Erlaubnis in die 50km-Neutralzone im Rheinland einzumarschieren. Seine Pläne mussten durch die Verhandlungen der Reichsregierung mit den Vollzugsräten zweimal verschoben werden. Am 1. April wurde der Einmarsch der Reichswehr von der Reichsregierung befohlen. Beim Einmarsch am 2. April 1920 wurden die Reichswehrtruppen von Freikorps-Verbänden unterstützt – von denjenigen Kräften, die noch wenige Tage zuvor versucht hatten, die demokratisch legitimierte Regierung zu stürzen.
Ab dem 8. April war die Rote Ruhrarmee entwaffnet oder geflohen, und das Ruhrgebiet weitgehend von Regierungstruppen kontrolliert. Am Ende der Kämpfe hatten die Aufständischen weit mehr als 1000 Tote zu beklagen, Reichswehr und Freikorps etwa 250.
Eine Arbeiterregierung im Werden?
24. März 1920. Vorschlag der USPD zu neuem Ministerium …. Demokraten und christliche Arbeiter in Regierung … Fraktion hat noch nicht erörtert …
Dank der Reichsregierung an die Beamten
Berlin, 24. März 1920. Dank an die Unterstaatssekretäre und Beamten im Kapp-Putsch
Der Frieden von Bielefeld
25. März 1920. Am 23. März lud Reichskommissar Severing Arbeitervertreter, Vertreter der Vollzugsausschüsse, zu einer Konferenz nach Bielefeld ein. Doch der Frieden von Bielefeld, ein Waffenstillstand, der weitere Verhandlungen ermöglichen sollte, wird nicht eingehalten. Die Vereinbarung umfasst 17 Punkte. Hier folgt ein Auszug: ...
11. Die sämtlichen Beteiligten verpflichten sich, ihren ganzen Einfluß dahin auszuüben, daß die Arbeiterschaft so schnell wie möglich, zur gewohnten Arbeit zurückkehrt. Die Arbeitgeber sind gehalten, die zurückkehrenden Arbeiter wieder einzustellen.
12. Es erfolgt sofortige Abgabe der Waffen und Munition sowie die Rückgabe des requirierten und erbeuteten Heeresgerätes an die Gemeindebehörde.
13. Alle Gefangenen sind sofort, spätestens bis 27. März mittags 12 Uhr zu entlassen.
14. Bei loyaler Einhaltung dieser Vereinbarungen wird ein Einmarsch der Reichswehr in das rheinisch-westfälische Industriegebiet nicht erfolgen. ...
Von Watter sollte nur auf schriftliche Anweisung des gesamten Reichsministeriums handeln können!
Essen und Hagen erkennen das Bielefelder Abkommen an
Essen, 27. März 1920.
Zur Lage. Ein Angebot des Zentralrates an die Regierung
28. März 1920. Zentralrat und Regierung im engen Kontakt …
Neue Verpflichtung der preußischen Sicherheitswehr
29. März 1920. Der neue preußische Minister des Inneren (Severing) hat alle Beamten der Sicherheitswehr durch Handschlag auf verfassungsmäßige Regierung nochmals verpflichtet.
# Folgen von Putsch und Revolution
Der Putschversuch von rechts und der Revolutionsversuch von links veranlassten die regierende Weimarer Koalition dazu, vorzeitig den ersten republikanischen Reichstag wählen und an die Stelle der Nationalversammlung treten zu lassen. Nach einer Wahlrechtsänderung entfiel jetzt auf 60.000 Stimmen ein Mandat. Die Wahlen vom 6. Juni 1920 endeten für MSPD, DDP und Zentrum mit einem Desaster: Zusammen rutschten sie unter die 50-Prozent-Marke. Dieses Bündnis zwischen sozialdemokratischer Arbeiterschaft, liberalem Bürgertum und politischem Katholizismus vermochte nie wieder eine Mehrheit zu erringen. Dagegen erzielten einerseits die USPD, andererseits DVP und DNVP beträchtliche Gewinne.
Die starken Einbußen der Weimarer Koalition erklären sich aus der seit Sommer 1919 anhaltenden politischen Polarisierung, die – je nach Standort der Wähler – mit der Enttäuschung über die stecken gebliebene Revolution und ihre gescheiterte Fortsetzung oder mit der Empörung über den Versailler Vertrag und der Anziehungskraft der Dolchstoßlüge zusammenhing. Tief enttäuscht wechselte die MSPD in die Opposition. Zentrum, DDP und DVP bildeten eine bürgerliche Minderheitsregierung unter Reichskanzler Konstantin Fehrenbach (Zentrum). Reformen stand die neue Regierung fern. Die Freikorps wurden jetzt aufgelöst, auf Druck der Alliierten auch die Einwohnerwehren (in Bayern im Sommer 1921). Viele ihrer Mitglieder wandten sich den deutschvölkischen Organisationen zu, darunter der NSDAP und der SA.
Zumindest in Preußen – hier regierte noch eine Weimarer Koalition – machte man jetzt ernst mit der Demokratisierung des öffentlichen Dienstes und entfernte in den folgenden Jahren viele republikfeindliche Beamte aus ihren Positionen. Preußen, das über 60 Prozent der Fläche und der Bevölkerung der Weimarer Republik umfasste, galt Republikanern bald als "Bollwerk der Demokratie", Rechtsstehenden als "rote Festung". Demgegenüber entwickelte sich Bayern, der zweitgrößte Flächenstaat, in die entgegengesetzte Richtung. Die MSPD wurde schon während des Kapp-Lüttwitz-Putsches in die Opposition gedrängt; es etablierten sich rechtskonservative Regierungen, stets unter Beteiligung der BVP. Bayern erwarb sich – je nach politischer Perspektive – den Ruf einer "Ordnungszelle" bzw. eines "Hortes der Reaktion".